Marcus H. Rosenmüller Foto: Theobald - Theobald

Mit Filmen wie „Räuber Kneißl“, „Die Perlmutterfarbe“ oder „Wer früher stirbt ist länger tot“ hat sich der Regisseur Marcus H. Rosenmüller einen Namen gemacht. Im Interview mit unserer Zeitung spricht er über seinen neuen Kinderfilm „Unheimlich perfekte Freunde“.

EsslingenAus einem magischen Spiegel auf dem Rummelplatz steigt das Spiegelbild des zehnjährigen Frido heraus und übernimmt fortan all das, was Frido selbst nicht kann oder nicht tun mag: manierlich essen, das Zimmer aufräumen und supergute Noten schreiben. Dieses Frido-Wunderkind bringt sogar die dauernd nervenden Eltern zum Verstummen. Irgendwann freilich entdeckt Frido in Marcus H. Rosenmüllers neuem Kinderfilm „Unheimlich perfekte Freunde“, dass der Zauber auch eine Kehrseite hat. Im EZ-Interview äußert sich der Regisseur darüber, wie wichtig das sinnfreie Spiel für Kinder ist und warum auch Erwachsene einen Heidenspaß an einer Stan-und-Ollie-Tortenschlacht haben können.

Es gehört mehr dazu, aufs Leben vorbereitet zu sein, als nur gute Schulnoten?
Unbedingt. Heute werden Kinder oft verplant und damit ihrer Kindheit beraubt. Aber Kinder brauchen Freiraum, sie müssen Fehler machen, die Welt erkunden und spielen dürfen. Man hat als Kind ein Recht auf scheinbar sinnloses Spielen. Spielen ist die wichtigste Zeit in der Kindheit. Tut es auch Erwachsenen gut, zwischendurch mal alle Fünfe gerade sein zu lassen?
Es ist wichtig, dass sich die ganze Gesellschaft wieder besinnt und dass wir uns zwischendurch mal Auszeiten genehmigen. Auch als Erwachsene haben wir das Kind immer in uns. Das verlieren wir ja nicht. Diese tollen Sachen, die wir als Kinder hatten – Chaos, völliger Dadaismus, ohne Konsequenz, ohne ein Ziel, ohne Blick auf die Zukunft– das ist wichtig, für Kinder und Erwachsene. Natürlich muss sich das in der Balance halten. Aber wir müssen aufpassen, dass wir nicht in einer uniformierten Gesellschaft landen, in der wir sofort Angst haben, aussortiert zu werden, wenn wir mal etwas Schönes, Entspanntes oder sogar Unsinniges machen.

Die Kinder im Film haben ein ehemaliges Hallenbad zu einem Abenteuerspielort umgewidmet, wo sie toben, werkeln und nach Herzenslust spielen. Sind solche Orte heutzutage Mangelware?
So ist es. Und in der Stadt ist es noch schlimmer. Auf dem Land ist man dann halt im Wald oder auf der Wiese oder am Bach. In der Stadt muss man als Gesellschaft wirklich dafür kämpfen, dass solche Abenteuerspielplätze für Kinder erhalten bleiben. Dieses leer stehende Hallenbad ist ein richtiger Sehnsuchtsort.

Hat das heruntergekommene Schwimmbad im Film symbolischen Charakter?
Ja. Es steht für etwas, das mal ganz viel Spaß gemacht hat, das sich nicht mehr rentiert und deshalb jetzt brachliegt und vergammelt. Und wie es manchmal im Leben einfach wunderbar zusammenpasst, war ich als Kind in genau diesem Hallenbad in Bad Tölz ein paar Mal zum Baden. Das war für mich damals das Höchste der Gefühle. Dass ich nun als Regisseur genau auf diesen Wasserrutschen herumlaufe, auf denen ich als Kind hinuntergesaust bin, ist ein großartiger Zufall.

Aber es gibt doch durchaus Bemühungen um eine kindgerechtere Welt?
Ja, man darf nicht alles nur schwarz-weiß sehen. Es gibt – Gottseidank – viele Menschen, die dafür kämpfen, dass sich etwas verändert. Das Schulsystem ist zum Beispiel ein bisschen besser geworden, weil es durchlässiger geworden ist. Trotzdem zeigt die Realität, dass dieses Aussieben noch gut funktioniert: Nur weil manche Schüler irgendein Schulfach nicht können und eine schlechte Note kriegen, werden sie ausgesiebt. In den meisten Schulen werden Kinder immer noch danach beurteilt, wie gut sie in den Unterrichtsfächern sind, aber nicht danach, welche Talente sie ansonsten haben. Das ist schade.

Trotz des ernsthaften Themas kommt wie meist in Ihren Filmen auch hier der Spaß nicht zu kurz ...
Die Balance und der Kontrast zwischen Ernsthaftigkeit und Spaß sind mir sehr wichtig. Disziplin, Struktur, Ordnung – man sieht ja, wo unsere Gesellschaft hinschlittert. Deshalb gibt es im Film im Foyer eines Elite-Gymnasiums eine echte Stan-und-Ollie-Tortenschlacht wie in den alten Klamauk-Filmen. Kinder haben Spaß am Sein, sie leben im Hier und Jetzt. Es ist so erholsam, wenn man als Erwachsener so etwas Wildes wie diese Tortenschlacht auch mal wieder erlebt.

Ihr Film wurde mit der Förderinitiative „Der besondere Kinderfilm“ realisiert?
Ja, man muss ein großes Lob an Simone Höft und Nora Lämmermann aussprechen, die eine tolle Geschichte geschrieben haben. Die haben uns mit ihrem wundervollen Drehbuch das Fundament gelegt: Wir haben hier eine Geschichte, die unterhaltsam ist, nicht langweilt und die gleichzeitig eine große Tiefe hat. So eine Ausgangsbasis ist einfach ansteckend, und ich hatte das große Glück, dass ich als Regisseur ausgewählt wurde. Und das Team ist eine echte Film-Familie, die mit dem Herzen an dieses Projekt glaubt. Alle waren mit so viel Lust bei der Sache und sind über sich hinausgewachsen.

Kinder spielen in Ihren Filmen immer wieder Hauptrollen. Was reizt Sie daran?
Vielleicht liegt das daran, dass ich eine tolle Kindheit hatte. Sicher ist das auch die Prägung durch Filme, die mich als Kind begeistert haben, wie „Michel aus Lönneberga“ oder „Pippi Langstrumpf“, die etwas Herzerfrischendes haben. Als Filmemacher finde ich die Kindheit toll, weil man dadurch die großen Fragen ganz naiv stellen darf. Bei „Wer früher stirbt ist länger tot“ war es die Frage nach Glauben, Sterben und danach, was nach dem Tod kommt. „Unheimlich perfekte Freunde“ zeigt, wie schön und wichtig es ist, nicht perfekt, sondern einfach nur man selbst zu sein. Man kann als Filmemacher ganz naiv mit Gedanken spielen, die überhaupt nicht naiv sind. Und die nicht nur in den Köpfen der Kinder, sondern auch in denen der Erwachsenen herumschwirren.

Das Interview führte Gaby Weiß.

Was man über Rosenmüllers neuen Film „Unheimlich perfekte Freunde“ wissen muss

Der Regisseur: Marcus H. Rosenmüller hat an der Hochschule für Fernsehen und Film München (HFF) studiert und gilt inzwischen als Meister des modernen bayerischen Heimatfilms: Ob der Publikumsliebling „Wer früher stirbt ist länger tot“, der Historienfilm „Räuber Kneißl“, die Romanverfilmung „Die Perlmutterfarbe“ oder die Komödie „Sommer in Orange“ – seine Filme begeistern regelmäßig Publikum wie Kritiker. Rosenmüller, der mehrfach das Singspiel zur Starkbierprobe auf dem Münchner Nockherberg inszenierte, hat 2019 neben „Unheimlich perfekte Freunde“ auch „Trautmann“ am Start.

Der Film: Die Viertklässler Frido (Luis Vorbach) und Emil (Jona Gaensslen) leiden darunter, dass ihre Eltern von ihnen immer nur Höchstleistungen erwarten. Als ein Zauberspiegel auf dem Jahrmarkt ihre Spiegelbilder zum Leben erweckt und diese Doppelgänger sich als perfekte Kopien der Jungs entpuppen, scheinen all ihre Probleme gelöst: Die Doppelgänger übernehmen all das, wozu die beiden keine Lust haben. Die Eltern sind zufrieden, und Frido und Emil haben jede Menge Zeit zum Spielen. Doch dann entwickeln die Spiegelbilder plötzlich ein Eigenleben. „Unheimlich perfekte Freunde“ ist ab sechs Jahren freigegeben.