In ganz Deutschland fehlen Lehrkräfte. Doch sind Quereinsteiger die Lösung? Allein in Berlin unterrichten an allgemeinbildenden Schulen über 20 Prozent Quereinsteiger – die Quote hat sich innerhalb eines Jahres bei 27 Schulen mehr als vervierfacht. Wie geht es den Neuen in ihrem Beruf? Eine Quereinsteigerin erzählt hier in einer Serie von ihren Erfahrungen.

In der Hofpause bekomme ich einen Tipp von Tom aus der 4g: "Sie sind zu nett. Sie müssen strenger sein. Das sagt mein Papa und der ist Kinderpsychologe." Ich lache, leicht gequält. Denn auch in meiner Quereinsteigerausbildung höre ich: Sei strenger! Aber wie geht strenger?

Die Frage zeigt wohl, dass ich an diesem Thema wirklich arbeiten muss. Bei der Supervision kam schon raus, dass ich mit Unterrichtsstörern sympathisiere. Stimmt. Ich frage etwa: "Wer kann mir eine Klassenregel nennen?" Sogleich haut es zehn Schüler von den Stühlen, aus ihren Mündern schießen Klassenregeln und Parodien dieser Klassenregeln. Sie brüllen ekstatisch "Wir melden uns!" durch den Raum. Ungeschickterweise lache ich dann oft.

Oder Karl aus der 1b robbt auf allen Vieren unters Lehrerpult. Ich: "Öhm, Karl?" Er: "Das passiert mit mir, wenn ich nicht genügend Süßes esse." Ja, das rührt mein Herz, sollte es aber nicht. Stattdessen soll ich notorische Störer umsetzen, Klassenregeln abschreiben, Besinnungsaufsätze verfassen lassen. Was aber, wenn die Störerinnen und Störer das genauso wenig machen wie sie die Regeln befolgen? Das wäre schlecht, sogar sehr schlecht. Denn ein Machtkampf zwischen mir und Schülerinnen und Schülern sei das Schlechteste überhaupt. Eben. Was also tun?

Fürs Erste versuche ich, den Missstand durch exzessives sogenanntes Überlappen zu vertuschen. Es geht so: Ich lausche Salim, der rechts von mir sitzt, und wedle gleichzeitig mit meiner linken Hand Neo vom Fensterbrett auf seinen Stuhl zurück. Im Augenwinkel sehe ich seinen Kopf wie ferngesteuert durch meine Hand immer tiefer sinken, bis der ganze Schüler wieder auf seinem Stuhl sitzt. Was für ein Moment! Ich habe magische Kräfte! Das ist der Durchbruch, deliriere ich.

Leider habe ich überlappungsbedingt nicht ganz verstanden, was Salim gesagt hat. Deshalb frage ich raffiniert: "Wer kann wiederholen, was Salim gesagt hat?" Es klingt wie eine didaktische Methode. Ich schäme mich dafür, während ich schon den nächsten Trick anwende: "Svenja meldet sich toll leise und auch Mirko, das ist ja super, und auch Lina … zumindest bis ihr Stuhl umkippte ..." So erreiche ich punktuelle Disziplin-Höhepunkte.